Rezension
Dipl. Soz.-Päd. Mathias Stübinger für socialnet.de
Einführung ins Thema
Die Arbeit in einem sozialen Beruf stellt vielfältigste Anforderungen an die professionellen Helfer. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sozialer Unternehmen müssen nicht nur über ein fundiertes, berufsbezogenes Fachwissen und entsprechende praktische Begabungen und Fertigkeiten verfügen; sie sollen in der Ausübung ihrer Tätigkeit in hohem Maße auch soziale und personale Kompetenzen sowie die Fähigkeit zur Reflexion ihres Handels entwickeln.
Die Notwendigkeit, den Klienten einfühlendes Verständnis entgegenzubringen, mit anderen Menschen tragfähige, von Interesse geprägte Beziehungen einzugehen und das eigene Tun dabei ständig kritisch zu hinterfragen, führt nicht selten dazu, dass sich professionelle Helfer in den unterschiedlichsten Berufsfeldern der sozialen Arbeit unzufrieden, frustriert, überlastet und ausgebrannt fühlen.
Mit eben diesem Phänomen des „Ausbrennens“ – dem „Burnout in der sozialen Arbeit“ – beschäftigen sich die Autoren der gleichnamigen Neuveröffentlichung aus dem Ziel-Verlag Augsburg.
Autoren
Sindy Röhrig studierte an der FH Coburg Sozialpädagogik, Schwerpunkt Jugendarbeit; nach einer Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen arbeitet sie seit 2001 als gerichtlich bestellte Betreuerin für psychisch Kranke und geistig behinderte Menschen.
Werner Reiners-Kröncke studierte sowohl Sozialarbeit, Erziehungswissenschaften und Soziologie; nach dem Studium arbeitete er mehrer Jahre in der Heimerziehung für Kinder und Jugendliche sowie in der Suchtkrankenhilfe; er ist Vizepräsident der FH Coburg und lehrt dort seit 1982 als Professor für Pädagogik und Methoden der Sozialarbeit/Sozialpädagogik.
Hintergrund für die Entstehung des Buches
Die vorliegende Auseinandersetzung mit der Thematik des Burnout in der sozialen Arbeit hat ihren Ursprung in Schilderungen einzelner Studentinnen und Studenten, die bereits im Rahmen ihres Sozialpädagogik-Studiums erste Anzeichen eines „Ausbrennens“ im zukünftig auszuübenden Beruf erlebt haben. Durch den vielfältigen, langjährigen und intensiven Erfahrungsaustausch der Verfasser mit Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis der Sozialen Arbeit und der daraus resultierenden Erkenntnis, dass sich auch hoch engagierte und motivierte Mitarbeiter sozialer Institutionen zunehmend schneller an den Anforderungen ihres Arbeitsfeldes „erschöpfen“, drängte es sich geradezu auf, das Phänomen Burnout näher zu untersuchen und angemessene Bewältigungsstrategien aufzuzeigen.
Die Autoren möchten – wie sie selbst schreiben – mit ihrer Schrift dazu beitragen, dass der schöne - aber schwierige – Beruf des Sozialpädagogen/-arbeiters besser, leichter und mit mehr Freude zu „ertragen“ ist und dass den Kolleginnen und Kollegen ihr Idealismus und ihr Engagement erhalten bleibt.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in acht Themenkapitel sowie einem Anhang, der praktische Übungen für den Leser und den für die Erstellung der Arbeit eingesetzten Befragungsbogen enthält.
Im 1. Kapitel gehen die Verfasser der Frage nach: Was ist Burnout? Ausgehend von der Begriffsgeschichte in den USA und Deutschland nähern sich die Autoren einer möglichen Definition des Phänomens über die Darstellung der Symptome und dem zu beobachtenden Prozess des „Burnout“.
Das 2. Kapitel ist den Instrumenten zum Erfassen von Burnout gewidmet. Die drei der am Häufigsten verwendeten Messinstrumente
- MBI (Maslach Burnout Inventory) von Maslach und Jackson
- Überdrussskala von Aronson, Pines und Kafry
- SBS-HP (Staff Burnout Scale for Health Professionals) von Jones
werden vorgestellt und kritisch miteinander verglichen. Für den Leser bieten die Erläuterungen – in Verbindung mit den im Anhang zitierten Erfassungsinstrumenten – die Möglichkeit einer individuellen Analyse der eigenen Betroffenheit.
Im 3. Kapitel werden Erklärungsmodelle von Burnout dargestellt. Dabei unterscheiden die Autoren in Persönlichkeitszentrierte Ansätze und sozial-, arbeits- und organisationsbezogene Ansätze. Unterstützt durch transparente und leicht nachvollziehbare Graphiken werden mögliche Ursachen (emotionale Überbeanspruchung in der Arbeit, mangelndes Feedback, problematische institutionelle Vorgaben und Strukturen etc.) und Auswirkungen (körperliche, emotionale und physische Erschöpfung usw.) des Burnout aufgezeigt.
Das 4. Kapitel stellt Burnout in den Kontext benachbarter Forschungsgebiete. Das Interesse der Verfasser gilt hier vor allen Dingen dem Phänomen Stress sowie dem Zusammenhang zwischen subjektiv empfundener Arbeits(un)zufriedenheit des Einzelnen und der Entstehung einer Burnout-Problematik.
Im 5. Kapitel unternehmen die Verfasser den durchaus gelungenen Versuch, die Ursprünge, Aufgaben und Ziele des „unmöglichen“ Berufs des Sozialpädagogen/Sozialarbeiters darzulegen. Anhand einer exemplarischen Darstellung von Zielen der Ausbildung, den Tätigkeitsfeldern und des heutigen Arbeitsmarktes wird verdeutlicht, dass soziale Arbeit nicht nur im Dienste der Rat- und Hilfesuchenden Klienten steht, sondern der gesamten Gesellschaft einen erheblichen Nutzen bringt; einen Nutzen, der für die jeweiligen professionellen Helfer – nach Meinung der Autoren -leider eine zu geringe Anerkennung durch die Öffentlichkeit erbringt.
Das 6. Kapitel bildet die Ergebnisse qualitativer Befragungen von neun Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen ab. Die dokumentierten Antworten auf Fragen zur Motivation für die Berufswahl, den Grenzen und Möglichkeiten der Berufsausübung und eventuell getroffenen Maßnahmen um Burnout entgegenzuwirken, sollen dem Leser dazu anregen, über eigene – möglicherweise ähnliche – Erfahrungen nachzudenken und zu reflektieren, inwieweit die in den Interviews geäußerte Bewältigungsstrategien für die eigene Situation übertragbar sind.
Im 7. Kapitel befasst sich noch einmal eingehender mit der Motivation und Berufswahl professioneller Helfer. Die Autoren diskutieren den vielfach geäußerten Wunsch von Sozialpädagogen und Sozialarbeiter, anderen Menschen mit ihrer Arbeit helfen zu wollen; sie zeigen auf, welche Auswirkungen das sogenannte „Helfer-Syndrom“ haben kann und welches die Gründe für einen Ausstieg aus dem Sozialberuf sein können.
Das abschließende 8. Kapitel des Buches zeigt Bewältigungsstrategien für das vielgestaltige Phänomen „Burnout“ auf. Die Verfasser verweisen hierbei vor allen Dingen auf die Bedeutung von Interventionen auf Team- und Institutionsebene sowie Techniken der Supervision und Selbstevaluation; auch auf die Frage der sozialen Unterstützung und die Bedeutung von Aus-, Fort- und Weiterbildung wird umfassend eingegangen.
Zielgruppe
Der vorliegende Text richtet sich letztlich an all diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der sozialen Arbeit, die sich ihrem z.T. schwierigen und belastenden Arbeitsumfeld ausgelaugt und ausgebrannt fühlen bzw. der potentiell bestehenden Gefahr sich im Berufsalltag „zu verbrauchen“ frühzeitig konstruktiv begegnen möchten. Nachdem das Phänomen „Burnout“ in hohem Maße von den organisatorischen Rahmenbedingungen des Arbeitsumfeld beeinflusst wird, gehören insbesondere die systemgestaltenden Führungskräfte sozialer Organisation zur Zielgruppe dieses Buches.
Fazit
Das Buch des Autorenteams Sindy Röhrig und Werner Reiners-Kröncke bietet einen sachkundigen Überblick zu den theoretischen Hintergründen und Ursachen des „Burnout in der Sozialen Arbeit“. Die Autoren werden ihrem Anspruch gerecht das gewählte Thema in seinen verschiedenen Facetten umfassend darzustellen. Das durchgehend gut recherchierte, gewissenhaft editierte und leicht verständlich geschriebene Werk hat vor allem durch die aufgezeigten, handlungsrelevanten Bewältigungsstrategien einen hohen Nutzwert für den Leser. Insgesamt eine Publikation, die viele Anregungen für die Bewältigung des manchmal unmöglichen Berufsalltags bietet und daher Leserinnen und Leser aus dem vielschichtigen Handlungsfeld der Sozialen Arbeit verdient.
Rezensent Dipl. Soz.-Päd. Mathias Stübinger
Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Hochschule Coburg, Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit, u.a. in tätig in den Lehrgebieten: Sozialmanagement/Organisationslehre/Praxisanleitung und Soziale Arbeit für Menschen mit Behinderung
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