Klappentext
Dieses Buch beschreibt eine Zeitreise: Welche Themen haben Praktiker und Forscher aus dem erlebnispädagogischen Feld in den letzten 20 Jahren beschäftigt? Was hat die Szene über die Jahre bewegt?
Antworten auf diese und andere Fragen finden sich im vorliegenden Band. Aufgeteilt in zehn Schwerpunktkapitel stehen 30 Beiträge repräsentativ für 20 Jahre Erlebnispädagogik in Deutschland. Sorgfältig ausgewählt von den Herausgebern der “Internationalen Zeitschrift für handlungsorientiertes Lernen”, die 2013 ihr zwanzigjähriges Erscheinungsjubiläum feierte, werfen sie Schlaglichter auf die Historie.
Meilensteine, Impulse, Veränderungen: Die Beitragssammlung begibt sich auf Spurensuche, wie sich Themenfelder im Laufe der erlebnispädagogischen Geschichte entwickelt haben, und bietet – ganz nebenbei – viel Lesevergnügen.
Rezension
Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens für www.socialnet.de
Thema
Das Thema ist im Titel angedeutet: Der verspricht, zur Erlebnispädagogik 30 Meilensteine aus 20 Jahren darzubieten. Bei genauerem Hinsehen kann und muss man präzisieren. Ins Blickfeld gerät nur die deutsch(sprachig)e Erlebnispädagogik, und was unter „Erlebnispädagogik“ sowie deren „Meilensteinen“ zu verstehen sei, wird dadurch (operational) definiert, dass die Herausgeberschaft 30 Artikel aus der von ihnen (im Falle Janne Fenglers: erst seit 2010) herausgegebenen Zeitschrift „e&l – erleben und lernen“ und dort zwischen 1993 (Ersterscheinungsjahr) und 2013 erschienenen Artikel versammelt hat.
Entstehungshintergrund
Bei Betrachtung des Erstehungshintergrundes eines Buches kann man (mögliche) Anlässe und Gründe betrachten. Zwanzig Jahre „e&l“ waren für die Herausgeber(innen) offensichtlich Anlass. Als Grund kann man vermuten, dass sich die deutsch(sprachig)e Erlebnispädagogik derzeit in einer Phase der (m. E. notwendigen) Selbstbesinnung und Selbstbestimmung befindet. Der im September 2014 in Augsburg durchgeführte zehnte „erleben&lernen“-Kongress trug den Titel: „Zwischen Anpassung und Abenteuer – Erlebnispädagogik: quo vadis“; entsprechende Überlegungen sind dokumentiert in der zeitgleich zum hier zu rezensierenden Buch im selben Verlag veröffentlichten Sammlung (es ist kein „Kongressbericht“!) „Erlebnispädagogik: quo vadis – Zwischen Anpassung und Abenteuer“. Geht es dort um eine Vorschau, so hier um eine Rückschau. Beides zusammen ist notwendig, will sich die deutsch(sprachig)e Erlebnispädagogik ihrer historischen, disziplinären und professionellen Identität versichern.
Herausgeberin und Herausgeber
Janne Fengler ist Professorin für Kindheitspädagogik und Pädagogische Psychologie an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft. In der deutschsprachigen erlebnispädagogischen Szene wurde sie durch ihr 2007 veröffentlichtes Buch „Erlebnispädagogik und Selbstkonzept: Eine Evaluationsstudie“ (Berlin: Nomos) bekannt. Die hiesige Erlebnispädagogik hat sie durch methodenkritische Reflexion zur Evaluation von Erlebnispädagogik bereichert.
Michael Jagenlauf war bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2005 Professor für Erziehungswissenschaft / Erwachsenenbildung an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. Er ist Herausgeber (u. a.) der im Reinhardt-Verlag erscheinenden Schriftenreihe „erleben & lernen“; das bekannteste Werk dieser Reihe dürfte das erstmals 1993 als 2. Band der Reihe und 2012 in 7. Auflage erschienene Buch „Erleben und Lernen“ von Bernd Heckmair und Werner Michl, das deutschsprachige Standardwerk zur Erlebnispädagogik schlechthin, sein (vgl. meine Rezension: www.socialnet.de/rezensionen/12689.php).
Mit dem Namen von Werner Michl (www.wernermichl.de), Professor an der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Technischen Hochschule Nürnberg ist die Geschichte der deutsch(sprachig)en Erlebnispädagogik in In- und Ausland unlösbar verknüpft.
Die drei Vorgenannten bilden derzeit den Herausgeberkreis der Zeitschrift „e&l – erleben & lernen“, einer der weltweit auflagenstärksten Zeitschriften für Erlebnispädagogik und der einzigen deutschsprachigen Zeitschrift für erlebnis- und handlungsorientiertes Lernen, nachdem 2010 die „Zeitschrift für Erlebnispädagogik“ in die e&l „aufgegangen“ ist. Janne Fengler gehört seit 2010 dazu, die beiden Männer von Anfang an. Die gehören zum Gründungskreis der e&l und sind dessen Namenserfinder; „erleben und lernen“: was im Nachhinein so „natürlich“ klingt, ist eine Konstruktion. Ferner haben sie bedeutsame Positionen in der Gesellschaft zur Förderung der Erlebnispädagogik (www.erlebnistage.de) inne: Michael Jagenlauf als Stellvertretender Stiftungsratsvorsitzender und Werner Michl als Vorstandsvorsitzender.
Aufbau und Inhalt
Den Kern des Buches bilden 30 vom Herausgeberkreis ausgewählte e&l-Artikel aus den Jahren 1993 – 2013, zusammengestellt in 10 Kapiteln mit je drei Aufsätzen; am Ende jeden Kapitels sind weitere e&l-Artikel zur weiterführenden Lektüre aufgelistet. Dem voran steht eine kurz gefasste Geschichte der Zeitschrift („Wie es zu e&l kam – anstelle eines Vorworts“) sowie eine knappe Erklärung der Auswahlkriterien der ins vorliegende Buch aufgenommenen Artikel („Erlebnispädagogik: 30 Meilensteine in 20 Jahren – anstelle einer Einleitung“). Am Ende des Buches finden sich im Anhang die Titel / Themenschwerpunkte aller Hefte der e&l-Jahrgänge 1993 – 2013, ein kurzes Stichwortverzeichnis sowie ein Nachweis der im Buch gebotenen Bilder.
Die Titel und Autor(inn)en der genannten 30 Artikel sind nachfolgend, zugeordnet zu den jeweiligen Kapiteln und versehen mit ihrem Erscheinungsjahr, aufgeführt.
1. Geschichte
Qualifikationsprofil Erlebnispädagoge – Versuch einer Standortbestimmung (Irmelin Küthe & Bernd Heckmair, 1993)
Die Ursprünge von Outward Bound (PeterCarpenter, 1997)
Erlebnispädagogik – Die Entwicklung der Szene aus (süd)deutscher Sicht (Michael Rehm, 2006)
Theorie
Bewegtsein – Über die Erlebnisunterströmung menschlichen Lernens (Horst Rumpf, 1997)
Vom Nutzen des Nachklangs. Vom Erlebnis zum Ergebnis? (Hans Thiersch, 2005)
Ganzheitlichkeit der Erlebnispädagogik? Kritik einer Semantik (Niels M. Hoffmann, 2009)
Forschung
Der erlebnispädagogische Prozess – Ein Stufenmodell zur Analyse (Michael Rehm, 1996)
Wie wirkt Erlebnispädagogik? – Fallstudien in Personalentwicklung, Qualifizierung, Jugendarbeit und Erziehungshilfe (Ulrich Lakemann, 2006)
Neue Forschung braucht das Land! – Über die Vorzüge bivariater und multivariater Versuchspläne für die Erlebnispädagogik (Janne Fengler, 2012)
Metaphern
Metaphorisches Lernen in therapeutisch orientierten erlebnispädagogischen Programmen Teil 1 und Teil 2 (Michael A. Gass, übersetzt von Niko Schad, 1995)
Von Schnellstraßen, Saumpfaden und Sackgassen – Metaphern als zielstrebige Umwege des Lernens (Cornelia Schödlbauer, 1998)
Selbst die Metapher ist eine Metapher – Ein metaphorischer Monolog (Martin Scholz, 2008)
Sicherheit
Sicherheit ist gut – Sicherheitsmanagement ist besser (Michael Jagenlauf und Helmut Wunder, 1994)
(Sh)it happens (Wilfried Dewald, Lydia Kraus und Martin Schwiersch, 2004)
Zero Accident – Sicherheitssystem für OutdoorTrainings (Walter Siebert, 2004)
Schule
Montanalingua – Erlebnispädagogik und Sprachausbildung (Wilfried Dewald, 2006)
Von der Erlebnistherapie zur Outdoor Education – Erlebnispädagogik an der Schule Schloss Salem – Erlebnispädagogische Tradition (Rüdiger Häusler, 2006)
Erlebnispädagogik als Möglichkeit der Förderung von Teamfähigkeit an der Schule – Soziometrische Analyse der Klassenstruktur einer sechsten Jahrgangsstufe (Michaela Schuck und Martin Scholz, 2010)
Seilgärten
Vom Outdoor-Training zur Teamentwicklung – Welchen Beitrag leisten Hochseilgärten? (Michael Wagner und Rainer Waldmann, 2004)
Quo Vadis, temporäre Seilaufbauten? – Temporäre hohe Seilelemente im Spannungsfeld zwischen Abenteuerevent und Pädagogik (Michael Trykowski, 2009)
Vom mobilen zum temporären Bau – Standards und Normen in der Seilgartenlandschaft (Henning Böhmer und Georg Schmitz, 2009)
Naturerlebnispädagogik
Wenn der Berg ruft… (Natur-)Erlebnis-Pädagogik auf Abwegen? (Berthold Langenhorst, 1999)
Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich (Ulrich Grober, 2010)
Wilderness bound – Der Stellenwert von Wildnis in der mitteleuropäischen Erlebnispädagogik (Matthias Diemer, 2013)
Erlebnistherapie
Systemische und andere Gedanken zum Therapieraum „Schiff“ (Astrid Habiba Krezmeier, 1994)
Erlebnispädagogik und Gestalttherapie – Eine gedankliche Begegnung zweier erfahrungsorientierter Ansätze (Rüdiger Gilsdorf, 1997)
Verwilderungswünsche, Abenteuerlust und Grenzerfahrungen – Anmerkungen zu Kurt Hahns Begriff der Erlebnistherapie (Werner Michl, 2005)
Rituale, Spiritualität, Religion
Altes neu entdecken: Rituale in der Arbeit mit Gruppen (Martin Schwiersch, 1998)
„…und plötzlich fragt ein Mensch nach Gott“ – Metaphern in erlebnispädagogischen Maßnahmen als Ansatzpunkt für die Religionspädagogik (Karin Roth, 2001)
Rituale – Im Niemandsland zwischen Ratio und Religion (Werner Michl, 2008)
Diskussion
Das vorliegende Buch enthält eine Auswahl des deutschsprachigen Schrifttums zur Erlebnispädagogik in (vornehmlich) Deutschland, Österreich und der Schweiz während ihrer noch jungen Entwicklungsgeschichte, für die man plus/minus ein viertel Jahrhundert ansetzen kann. Notwendig war selbst eine Auswahl unter den vielen Artikeln die alleine in der e&l der Jahre 1993 – 2013 erschienen waren. In diesem Zeitraum waren dort von rund 1200 Autor(inn)en in über 100 Heften ca. 4200 Textseiten publiziert worden. Der Herausgeberkreis hat sich bei dieser Auswahl leiten lassen von folgenden Fragen: „Welche Beiträge stehen deutlich erkennbar in dem Zeitgeist der Epoche, in der sie verfasst wurden? Welche Artikel können wir als historisch bedeutsam würdigen? Bei welchen handelte es sich um damals neue, besonders innovative Ansätze? Welche Aufsätze hatten eine Leuchtturmfunktion und haben mit den in ihnen formulierten Befunden, Gedanken und Ideen die nachfolgenden Zeiten als Vorbild, als Modell geprägt?“ (S. 13) Die so gefundenen Artikel konnten aber nicht alle, sonst wäre das Buch zu umfangreich geworden, im Buch Platz finden. Die geplanten Kapitel „Humor“, „Gender“, „Behinderung“ und „Interviews“ wurden gestrichen und die Anzahl der Beiträge für die verbliebenen zehn Kapitel auf drei reduziert.
Ob der Herausgeberkreis durch seine Auswahl die von ihm selbst gesetzten Ziele erreicht hat, kann und darf Gegenstand zukünftiger Diskussion sein. Ebenso die Frage, ob denn die hier vorliegende Sammlung repräsentativ ist – was nicht die erklärte Absicht des Herausgeberkreises war! – für das Insgesamt des deutschsprachigen Schrifttums zur Erlebnispädagogik aus dem letzten viertel Jahrhundert. Diskutieren darf man schließlich auch die Frage, ob denn die hier versammelten Textdokumente anzusprechen sind als „Meilensteine“ im üblichen Sinne des Wortes; so wie man etwa, um ein nahe liegendes Beispiel zu wählen, Stephen Bacons „Die Macht der Metaphern“ als Meilenstein bewerten kann.
Fazit
Das vorliegende Buch ist zum einen ein bedeutsamer Beitrag zur Sicherung der historischen, disziplinären und professionellen Identität der deutschsprachigen Erlebnispädagogik. Zum anderen ist es ein kurzweiliges Lesebuch, das all denen zur Lektüre empfohlen sei, die sich in recht kurzer Zeit einen Überblick darüber verschaffen wollen, worüber im deutschsprachigen Raum in Sachen Erlebnispädagogik nachgedacht wurde und wird.
Rezensent
Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens
Hochschullehrer i.R. für Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Pädagogik an der Hochschule München
Homepage de.wikipedia.org/wiki/Hans-Peter_Heekerens