Rezension
Prof. Dr. Wolfgang Berg, Hochschule Merseburg, auf www.socialnet.de
Im ersten Teil, über 100 Seiten, stellen die Autorinnen ausführlich das Konzept der Kulturstandards von Thomas und die kulturellen Dimensionen nach Hall und Hofstede vor. Die Kritik am Kulturalismus (Radtke, Welsch etc.)) wird angedeutet, doch an keiner Stelle expliziert, geschweige denn umgesetzt. So begegnen sich weiter Kulturen, allenfalls „Kulturangehörige“, nicht Menschen.
In einigen Übungen des zweiten Teils indes geht es auch mal um Situationen, in denen Akteure viele Gemeinsamkeiten haben, aber in mancher Hinsicht auch unterschiedlichen Regeln folgen. Statt sich so mit Transkulturalität auseinanderzusetzen, unterscheiden die Autorinnen interkulturelle, d.h. lernfähige Gruppen von multikulturellen, die es beim „Nebeneinander verschiedener Kulturen“ belassen. Im Folgenden, auch bei den Übungen, sortieren sie die Menschheit dann wieder einfach nach Ländern und Nationalitäten.
Das Kapitel, das die Autorinnen den Kommunikationsproblemen und speziell den Missverständnissen widmen, besticht durch anschauliche Beispiele von Regeldifferenz, endet aber schnell in der alten Problematik von Stereotypen und Vorurteile. Für internationale (!) Teams betonen die Autorinnen vor allem die Bedeutung von Vertrauensbildung und Kennenlernphasen. Wie interkulturelle Teams Synergie herstellen können, ist – von wenigen Arbeiten (Zeutschel&Thomas) abgesehen - nach wie vor empirisch kaum untersucht.
Im zweiten Teil sind über 50 „Interkulturelle Interaktionsübungen“ versammelt, zum großen Teil entweder allgemeine Kennenlernspiele oder Übungen, die nationale Stereotypen aktivieren und womöglich bewusst machen („Aha-Erlebnis“). Dazu kommen die vier oder fünf Klassiker wie der Café-Klatsch, das Kartenspiel oder der Besuch bei den Albatrossen, die seit zwei Jahrzehnten in der westeuropäischen Trainingsszene unter diesen oder anderen Namen, sicher auch dank der Verbreitung durch dieses Buch, die Runde machen. Wie diese Übungen, bei denen es ja darum geht, neue Regeln auszuhandeln, theoretisch fundiert, Lösungen ausgewertet und auf die Realität transferiert werden, bleibt den Trainern überlassen.
Diskussion
In der Einleitung zum zweiten Teil haben Losche/Püttker einen Satz formuliert, der zu denken gibt: „Übungen sind nicht interkulturell“. Sie meinen damit, dass viele, ja die Mehrzahl der Übungen nur mit solchen Personen möglich sind, die diese Art von „Erlebnispädagogik“ (?) schätzen, insbesondere Körperkontakt akzeptieren. Der Satz hat aber noch eine tiefere Wahrheit: Übungen ersetzen nicht das respektvolle, faire Aushandeln von Regeln, die Regeldifferenzen überbrücken – in jedem Handlungszusammenhang.
Fazit
Bei alle Einwänden und trotz aller Kritik: Wer immer in interkulturellen Geschäft, als Trainer/in oder Dozent/in, aktiv ist oder wird, an diesem Standardwerk kommt keine/r vorbei.