Klappentext
Outdoorprogramme erfreuen sich nach wie vor zunehmender Beliebtheit. Durch die Vielseitigkeit ihrer Inhalte beleben sie sowohl die Erlebnis- also auch die Bildungslandschaft bei uns. Das Buch möchte dazu einladen, differenzierte Führungsfähigkeiten zu entwickeln und konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die weichen Faktoren (soft skills) für den Umgang mit Menschen in diesen Programmen. Hilfreiche Modelle aus der Persönlichkeits- und Sozialpsychologie liefern dabei ein praxisnahes Wissen, die als Steuerungsinstrumente in der Arbeit mit Gruppen Outdoor eingesetzt werden können.
Die vorgestellten Risikomanagementstrategien bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Unfallvermeidung und berücksichtigen dabei neueste Erkenntnisse aus der Human Factor Forschung. Da sich auch bei größter Vorsicht Unfälle nicht völlig verhindern lassen, werden bewährte Ablaufstrukturen für Notfall- und Krisenmanagementkonzepte vorgestellt.
Abschließend wendet sich das Buch der Erstellung von Sicherheitskonzepten zu.
Rezension
Prof. Dr. Werner Michl für www.socialnet.de
Hintergrund
Die Erlebnispädagogik leidet unter einer mehrfachen Sprachlosigkeit. Erlebnisse sind erstens oft so prägend, so beeindruckend, dass die Sprache versagt – und dann Gedichte helfen, wie im Vorwort zu diesem Buch gezeigt wird. Und oft erscheint, zweitens, die Reflexion eines Erlebnisses als etwas Künstliches, Aufgedrängtes, etwas, durch das Erlebtes zerredet und zerstört wird. Drittens sind viele Praktiker der Erlebnispädagogik manchmal mund- und öfter schreibfaul. Wer oft mit den Gewalten der Natur konfrontiert wird, beschränkt sich auf das Wesentliche.
Thema und Aufbau
Pit Rohwedder ist ein solcher Praktiker, der aus dem Vollen schöpfen kann, ein wichtiger Name in der erlebnispädagogischen Szene, einer, der mindestens eine Generation von Erlebnispädagogen/innen geprägt hat. Nachdem er schon einige Beiträge in Fachzeitschriften veröffentlicht hat, drängte es ihn nun, seine Erfahrungen in einem Buch festzuhalten. Rohwedder, der auch Experte im Bereich Erste Hilfe Outdoor ist, konzentriert sich in diesem Buch mehr auf das „Wie“ im Führungsverhalten und weniger auf die Hard Skills. Ihn interessieren die so genannten „weichen“ Faktoren, Leitungs- und Führungsstile, Risikomanagementstrategien und besondere Kompetenzen.
Das Buch ist in sechs große Kapitel gegliedert, die durch Variationen des Modells der Themenzentrierten Interaktion (TZI) einen inneren Zusammenhang erfahren.
Führen und Leiten
Zunächst beschreibt Rohwedder das Führungsverhalten. Nach kurzen Anmerkungen zur Verortung der Erlebnispädagogik geht es um das Führen und Leiten von Gruppen. Das Spektrum der Führungsstile von autoritär bis laissez-faire funktioniert zwar, ist letztlich aber etwas eindimensional. Da gibt es aktuellere Modelle. Auch die Definition einer Rolle ist nicht ganz stimmig, denn Rolle definieren die anderen: das Spektrum von Erwartungen an den Inhaber einer Position. Höhepunkte sind in diesem Buch immer die Praxistipps und die Fallbeispiele, die Themen, Thesen und Theorien veranschaulichen, erklären und erweitern. Und natürlich sind sehr viele Hinweise hilfreich und praxisnah; immer gelingt es dem Autor, Theorie und Praxis eng zu verzahnen und nirgendwo findet man Unnötiges. Der Alpinist Rohwedder weiß, worauf man verzichten kann und was dringend notwendig ist.
Modelle für die Gruppenarbeit
Das zweite Kapitel stellt „Hilfreiche psychologische Modelle für die Arbeit mit Gruppen“ vor. Das ist ein wichtiges Anliegen und wird viel zu wenig beachtet in Publikationen der Erlebnispädagogik. Natürlich sind das Johari-Fenster, die Feedbackregeln, die Maslowsche Bedürfnispyramide, die „Big Five“ der Persönlichkeit, das Riemann / Thomann-Modell und die Gruppenphasen fleißigen Studierenden der Psychologie und der angewandten Sozialwissenschaften weitgehend bekannt. Trotzdem kann eine Wiederholung nicht schaden, schon gar nicht für die fleißigen Praktiker, die selten die Muße für langwierige Theorien aufbringen und es klar, einfach und portionsweise mögen. Und natürlich ist durch Praxistipps immer der Bezug zum Alltag der Erlebnispädagogik vorhanden. Gerade bei natursportlichen Aktionen werden Menschen schnell zusammengeschweißt und verfallen dann in ein euphorisches Gruppendenken. Rohwedder listet die Symptome dazu auf (S. 82f). Gegen den Konformitätsdruck helfen die Janis-Regeln. Janis schlug einstmals der amerikanischen Regierung Regeln vor, um dies zu vermeiden. Dazu gehört auch der bewusst definierte Advocatus Diaboli (ebd.), aber noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen helfen gegen diese Überschätzung der Gruppenqualität.
Sicherheit, Risiko
Im dritten Abschnitt geht es um „Sicherheitsbedürfnisse und Risikomanagement.“ Die Ausführungen über „frühe Kulturen“ und ihre Sicht der Natur sind aus ethnologischer Sicht etwas fragwürdig, aber letztlich auch nicht besonders bedeutsam für die Praxis. In erlebnispädagogischen Fachkreisen findet man immer häufiger Elemente einer Pseudoethnologie, insbesondere im Verbund mit Ritualen, Visionssuchen, Medizinwanderungen. Die Natur ist dann so beseelt, dass man die Amsel nicht mehr pfeifen hört. Zurück zum Thema! In gewohnter Qualität versucht der Autor, die Leitbegriffe zu klären, gibt zahlreiche Praxistipps, differenziert zwischen Risiko und Wagnis und beschreibt dann aktuelle Entwicklungen in Ausbildungskonzepten. Das alles ist ein Füllhorn für die Praktiker, die hier anwendbare Techniken vorfinden wie z.B. das „3x3 Filter Modell“ (S. 104). Auch der „Vierfach-Blick“ ist eine solche praktische Handreichung.
Notfälle und Krisensituationen
Im Bereich des Notfallmanagements ist Pit Rohwedder ein überall bekannter und anerkannter Experte. Im vierten Kapitel werden Abläufe beschrieben, das Führungsverhalten geklärt und psychologische Aspekte diskutiert. Darüber hinaus enthält der Abschnitt eine Fülle von detaillierten Tipps, die der Autor aus seiner langjährigen Praxis schöpft. Das gleiche gilt für Krisen- (5. Kap.) und Sicherheitsmanagement (6. Kap.). Es mag schon sein, dass manche Experten an der einen oder anderen Stelle etwas zu mäkeln haben, aber viele wird es deutschsprachigen Raum nicht geben, die dieser Erfahrungsfülle standhalten können. Ja, und es mag auch sein, dass es im englischsprachigen Raum andere Ansätze gibt, denn dort hat die empirische Forschung eine vergleichsweise längere und breitere Tradition.
Fazit
Insgesamt ist das Buch fachlich fundiert, voll mit spannenden Beispielen aus der Praxis und praktisch anwendbaren Tipps. Nicht nur wer mit Kindern und Jugendlichen in die Berge geht, im Kanu fährt, im Seilgarten arbeitet, mit ihnen segelt, sollte dieses Buch immer wieder zu Hilfe nehmen, auch bei den scheinbar banalen Problemlösungsaufgaben und vermeintlich langweiligen Wanderungen passiert so viel, dass ein Einblick in die Facetten des „Outdoor Leadership“ sehr wichtig ist. Führungsfähigkeiten, Risiko-, Notfall- und Krisenmanagement sind immer gefragt, auch wenn immer mehr erlebnispädagogische Aktionen auf Wiesen, Rasen- und Betonflächen stattfinden. Bei all dem Lob muss man eine fundamentale Anmerkung machen: sowohl Autor als auch Verlag hätten sich mit mehr Sorgfalt um Orthographie, Stil und Layout kümmern müssen.
Rezensent
Prof. Dr. Werner Michl
Homepage www.wernermichl.de
Über den Autor
Pit Rohwedder ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer mit Zusatzausbildung Erlebnispädagogik, Kommunikationspsychologie und systemischer Organisationsberatung. Seit 1997 ist er Lehrtrainer bei nahmhaften Anbietern von Fachsport und erlebnispädagogischen Zusatzausbildungen.