Rezension
Heike Kellner-Rauch für www.lehrerbibliothek.de
Erlebnispädagogik ist „mehr“ und hat nicht nur Handlungsräume in der Natur. Erlebnispädagogik ist handlungsorientierte Pädagogik, die in vielen Arbeitsfeldern wirksam sein kann.
City Bound nutzt den Lebensraum, der den meisten Menschen bekannt, und sehr vielen vertraut ist: die Stadt. Der eigentlich vertraute Lebensraum ist der Ort an dem neue Erfahrungen gemacht werden können und das eigene Leben auf eine neue und unbekannte Art in den Blick genommen werden kann.
Das vorliegende Praxishandbuch Citybound will ein Handbuch zum Nachlesen und zur theoretischen Fundierung dieses erlebnispädagogischen Ansatzes ebenso sein, wie eine Ideensammlung und Präsentaton für und von Praxisprojekten des Citybound. Die Herausgeberinnen Barbara Deubzer und Karin Feige legen bewußt den Fokus auf die Praxis: ein breiter Ideenfundus ergänzt durch kurze und knappe theoretische Einführungen.
Gerade diese theoretischen Einführungen geben dem Leser interessante Einblicke in die Konzeption von Erlebnispädagogik in der Stadt. So finden sich Antworten und Antwortversuche auf die Fragen, die den interessierten (Erlebnis-) Pädagogen umtreiben: Welche Erlebnisse können in diesem Lebensraum gemacht werden? Ist Stadt wirklich nur ein Ort von Lärm und Konsum? Wie müssen Aufgabenstellungen in der Stadt gestrickt sein, so dass junge Menschen sich selbst und ihren Selbstwert entdecken können? Wie lässt sich das pädagogische Potential der Stadt formulieren – welche Lern- und Bildungsmöglichkeit bietet sie?
Gerade Lehrer müssen sich bei CityBound-Aktionen der rechtlichen Situation vergewissern: welches Risiko kann eingegangen werden, wo muss der Leiter, der Lehrer Abstand nehmen von guten – aber rechtlich komplizierten – Ideen? Sich selbst der rechtlichen Regelungen zu vergewissern und so angesichts der Realität pädagogische Entscheidungen treffen zu können, will das Kapitel 2 helfen. Das gelingt kurz und knapp, sicher nicht erschöpfend – was meiner Erfahrung nach jedoch noch kaum ein Buch für Pädagogen geschafft hat; im Zweifelsfall ist ein Telefonat mit dem eigenen Rechtsberater immer sinnvoll.
Die Praxisberichte sind bunt und unterhaltsam zu lesen – nicht als Rezepte, wohl aber als Appetitmacher für eigene Aktionen, mit nicht wenigen konkreten Methoden und vielen hoffnungsvollen Blicken in das ganz normale Chaos des Alltags.
Ist dieses Buch empfehlenswert für Lehrerinnen und Lehrer?
Sicher nicht für jeden, aber ganz bestimmt für diejenigen,
- die an Schulen in (Groß-)Städten unterrichten,
- die Klassenfahrten in Städte planen und dort pädagogisch sinnvoll handeln wollen;
- die wissen wollen, wie Erlebnispädagogik auch ohne Bergschuhe und Schwimmweste zum Ziel führen kann;
- die Lust haben den Lebensraum außerhalb des Schulgebäudes in den Blick zu nehmen – egal ob in ländlicher oder städtischer Umgebung;
die alte und neue Methoden gesammelt und gut präsentiert (wieder-)finden wollen.
Monika Pietsch für www.socialnet.de
Einführung in das Thema
Erlebnispädagogik wird meist mit Erfahrungen in der Natur verbunden. Doch gibt es vielerlei Gründe (Zeitnot, Geldknappheit, Neues entwickeln etc.) aus der Natur heraus oder wieder in die Städte hinein zu gehen. Ein Teil der Ziele sind in Natur und der Stadt identisch: das soziale Lernen, der Umgang mit sich, seinen Grenzen, seinen Stärken und das Erleben und Bestehen unerwarteter Situationen. In den Städten wird es ergänzt durch die Kommunikation mit Fremden. Sich ihnen zu öffnen, sich mit der Lebenssituation Fremder/Anderer auseinander zu setzen, Empathie zu empfinden, Toleranz zu leben stellen hier die Möglichkeiten der Erlebnispädagogik dar. Darüber hinaus bietet City Bound die Gelegenheit ergänzend zur Wissensvermittlung sowohl in Schule als auch in der betrieblicher Aus- und Weiterbildung Persönlichkeitsentwicklung ortsnah zu vertiefen.
Hintergrund für die Entstehung des Buches
Die eigenen positiven Erfahrungen mit City Bound motivierten die Herausgeberinnen Methoden und Projektberichte zusammenzutragen. Insbesondere der Perspektivenwechsel in alltäglichen Situationen, die Stadt mit ihren Möglichkeiten von unterschiedlichen Kulturen, Lebenskonzepten, Strukturen (Behörden, Grünflächen, Verkehrswege…) zeigt Potentiale, in denen soziale Fähigkeiten erprobt und lustvoll und kreativ umgesetzt werden können.
Theoretische Grundlagen
Begonnen wird im ersten Kapitel mit den theoretischen Grundlagen, die mit der Erlebnispädagogik in der Natur verknüpft sind. Als pädagogisches Potential werden genannt:
Individuelle Lernmöglichkeiten (Kontaktfähigkeit, Verantwortung, sich auf Situationen einlassen, Toleranz …)
Lernmöglichkeiten für die Gruppe (soziale Integration in der Gruppe, Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Arbeitsaufteilung …)
Lernfelder bzgl. des Lebensraums Stadt (selbständige Orientierung, Aneignung der Infrastruktur, Mitverantwortung…)
Lernfelder bzgl. der Kooperation von Einrichtungen (Synergieeffekte nutzen, Transparenz unterschiedlicher Strukturen). Hier wird auch auf die Pisa- Studie Bezug genommen. Die Möglichkeiten in Schule oder Ausbildungsbetrieb auf soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit einzugehen werden als begrenzt angesehen. So sind weitere Maßnahmen nötig.
Bei der Abwägung der Gründe für oder gegen den Erlebnisraum Stadt sind die vielfältigen Erlebnismöglichkeiten ein Pluspunkt. Als schwierig wird angesehen, dass der intensive Gruppenprozess erst in langfristigen Projekten erreicht wird.
Rechtliche Aspekte
Das 2. Kapitel über die rechtlichen Aspekte beschreibt die allgemein gültigen Regeln wie die Aufsichtspflicht und einige Fallbeispiele. Wichtig sind hier vor allem die Hinweise über die Grundsätze von City Bound:
die Leitungspersonen habe die Sorgfalts- und Aufsichtspflicht
Einverständniserklärung der Eltern einholen
gewissenhafte Informationen, genaue Regeln auch im Notfall
Notfallkarte mit einer Erklärung über die Aktion für Behörden und Telefonnummern mitgeben
Praxis
Das 3. Kapitel ist ganz der Praxis gewidmet.
1. Bereich City Bound mit Schulklassen/ Jugendlichen mit folgenden Praxisprojekten:
Gemeinsames Projekt einer Hauptschule und eines Gymnasiums
Frauen im Beruf
Suchtprävention
Schullandheimaufenthalt
Exkursion
Projekt zur Förderung alltags- und berufsrelevanter Fähigkeiten von Jugendlichen
Fazit: Die Methode eignet sich sehr gut zur Persönlichkeitsbildung, Wissen wird handlungsorientiert vermittelt.
2. Bereich City Bound an der Uni für Studierende mit Hauptfach Pädagogik. Fazit: Die Methode ist sehr gut geeignet um die Empathie- und Kommunikationsfähigkeit zu steigern, und um den professionellen Umgang mit Menschen zu schulen.
3. Bereich City Bound für Menschen in Führungspositionen und Projektleitung der freien Wirtschaft. Darstellung einer Weiterbildung, an der seit 1999 insgesamt 64 Führungskräfte teilgenommen haben. Sowohl die Auswahlkriterien der Teilnehmer als auch die der sozialen Einrichtungen werden beschrieben. Schließlich gehen die Teilnehmer nach einem Vorbereitungstreffen 1 Woche in eine Einrichtung ihrer Wahl und sind dort in das Team integriert. Zum Abschluss findet eine Auswertung statt. Fazit: Die Rückmeldungen sowohl der Teilnehmer als auch der Institutionen sind gut bis sehr gut. 2/3 der Teilnehmer engagieren sind weiterhin im Sozialen Bereich.
Ausblick
Kapitel 4 beschäftigt sich mit dem Fazit und Ausblick. Dabei werden der Nutzen der Methode für die unterschiedlichen Teilnehmergruppen sowie die Erreichung der pädagogischen Ziele herausgestellt. Das eigene Fazit ist sehr positiv, alle pädagogischen Ziele wurden in den dargestellten Maßnahmen erreicht. Im Ausblick werden 3 Pluspunkte für zukünftige City Bound Projekte ins Feld geführt: die aktuelle Wertediskussion in der Gesellschaft wird aufgegriffen und erlebbar gemacht; das vermehrt geforderte Bürgerengagement umgesetzt, die Stadt wird mit positivem Erleben verknüpft.
Spiele und Aktionen
In Kapitel 5 werden eine Anzahl von Spielen und Aktionen dargestellt, von Kennlernspielen über Anfangsaktionen bis hin zu Reflexionsmethoden reicht das Spektrum.
Zielgruppen
Die Herausgeberinnen möchten City Bound Projekte initiieren und so ist es an alle Interessierte gerichtet, sowohl PädagogInnen als auch Veranstalter.
Kommentar
Das Buch zeigt kompetent und euphorisch die verschiedenen Möglichkeiten von City Bound. Es ist durch die vorgestellte Bandbreite für eine breite Leserschaft geeignet und enthält sowohl praktische Hinweise über die Durchführung und Initiierung entsprechender Maßnahmen als auch über den theoretischen Hintergrund.
Alle Artikel sind gut, leicht und verständlich zu lesen.
Fazit
Die Freude an der Arbeit und den gemeinsamen Erlebnissen der Autorinnen sind spürbar, sie machen Lust darauf, mehr zu erfahren und eigene Gedanken zu dem Thema anzustellen. Das gleiche gilt für die beschriebenen Praxisprojekte, sie sind sehr mitreißend und authentisch.
In dem Buch wird einmal mehr deutlich, wie sich erlebnisorientierte Methoden (in der Natur wie in der Stadt) vielseitig einsetzen lassen und für ganz unterschiedliche Teilnehmergruppen geeignet sind. Gleichzeitig zeigt das vorliegende Buch die Vielfalt und das Themenspektrum, mit dem bei City Bound Programmen gearbeitet werden kann.
Alle Projekte sind gut nachvollziehbar. An einigen Stellen werden auch kritische oder nachdenkliche Bemerkungen gemacht. Zumindest im Zusammenhang mit den rechtlichen Aspekten wird deutlich, dass es auch Probleme geben kann: bei einigen öffentlichen Aktionen ist die Präsenz der Mitbürger und auch der Polizei nicht zu unterschätzen. Und das ist auch ein Thema, dass noch Beachtung benötigte: welche Probleme können bei den Aktionen auftreten? Was ist im Ernstfall oder besser im Voraus zu tun? Gibt es dazu Erfahrungen?
Eine weitere Bemerkung sei erlaubt: City Bound Berlin wird häufige als Quelle genannt, doch: gibt es sie noch?
Rezensentin
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
Homepage www.training-konstruktiv.de