Rezension
Prof. Dr. Werner Sauter für socialnet.de
Thema
Der Autor beschäftigt sich mit dem Thema des Selbstgesteuerten Lernens und der Lernberatung. Er geht dabei von der konstruktivistischen Annahme aus, dass Lernende ihre Lernprozesse aktiv gestalten und dass die Lernberatung an Bedeutung gewinnt.
Autor
Prof. Dr. Horst Siebert lehrte bis 2007 Erwachsenenbildung und außerschulische Jugendbildung an der Leibniz Universität Hannover. Ein Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit ist der Konstruktivismus.
Entstehungshintergrund
Hintergrund dieser nicht mehr ganz neuen Sichtweise des Lehrens und Lernens sind soziokulturelle Veränderungen der Lern- und Wissenskulturen sowie der Lernmentalitäten. Das Buch ist in der 3. Auflage erschienen und enthält neu die Kapitel Kollegiale Beratung in Lerngruppen und Lernende Organisation
Aufbau und Inhalt
Der Aufbau des Buches ist schwer nach zu vollziehen, da es in dem vorliegenden Belegexemplar kein Inhaltsverzeichnis gibt und das Buch auf Seite 17 mit Lektion 1.3 anfängt. Diese Lektion und das Kapitel 2. sind dafür aber zweimal enthalten. Im ersten Kapitel gibt der Autor vermutlich einen Überblick über die Geschichte der Weiterbildung bis zum Lebenslangen Lernen. Dann behandelt er in klarer und gut verständlicher Form die theoretischen Aspekte des selbstgesteuerten Lernens und der Selbstorganisation und erläutert die Entkoppelung von Lehren und Lernen.
Einen breiten Raum nehmen empirische Befunde zum selbstgesteuerten Lernen ein. Leider kommen das selbstgesteuerte Lernen im Internet mit gerade mal 4 Seiten, basierend auf Quellen aus dem letzten Jahrhundert, sowie das kompetenzorientierte Lernen viel zu kurz. Entwicklungen wie das Blended Learning oder Lernen im Netz mit Social Software fehlen.
Ausführlich wird dagegen die Lernberatung behandelt. Leider nur auf zwei Seiten geht der Autor auf die kollegiale Beratung in Lerngruppen ein. Im Kapitel Lernkulturen werden Wissenssysteme, milieuspezifische Lernkulturen und Lernende Organisationen erläutert. Leider wird auch der letzte Aspekt nur ganz kurz auf drei Seiten angerissen. Das Buch endet mit einem Fazit zur Erwachsenenbildung in der Postmoderne.
Diskussion
Leider merkt man dem Buch an, dass es die dritte Auflage ist, die lediglich angepasst, aber nicht grundlegend der aktuellen Entwicklung gemäß weiter ausgebaut wurde. Dies zeigt auch das Quellenverzeichnis. Von den etwa 300 Quellen stammen gerade mal 16 aus der Zeit nach 2005.
Dies hat beispielsweise in der Lektion zum Lernen im Internet zur Folge, dass sich der Autor auf ein E-Learning der 1. oder 2. Generation aus dem letzten Jahrhundert bezieht, das durch wissensorientierte Lernprogramme, die meist im Einzellernen bearbeitet wurden, bezieht. Die Entwicklungen in den Unternehmen im vergangenen Jahrzehnt zu Blended Learning in Verbindung mit Tandem- und Gruppenlernen (E-Learning der 3. Generation) oder zu Kompetenzentwicklungsmodellen unter Einbeziehung netzwerkorientierten Lernens („Konnektivismus“) mit Web 2.0 Instrumenten, wie Blogs, Wikis oder Podcasts (E-Learning der 4. Generation)) spielen in dem Werk keine Rolle. Dies ist umso erstaunlicher, als bereits 20 % der Unternehmen, insbesondere der großen, mit E-Learning und Blended Learning arbeiten. Eine aktuelle Umfrage des MMB-Institutes hat beispielweise ergeben, das Blended Learning und Lernen in Sozialen Netzwerken mit deutlichem Abstand die wichtigsten Veränderungen im Lernen sein werden.
Diese Entwicklungen sind keine technologischen Varianten oder gar Modewellen. In einer wachsenden Zahl von Unternehmen findet aktuell ein Paradigmenwechsel statt, der durch einen grundlegenden Wandel von fremdorganisiertem Lehr-und Lernformen zu selbstorganisierten Lernarrangements geprägt ist. Die Ziele gehen deutlich über die Wissensvermittlung und Qualifizierung hinaus zur Entwicklung der Fähigkeiten zur Selbstorganisationsdisposition, d.h. der Kompetenz, Problemstellungen in der Praxis selbstorganisiert lösen zu können. Die Lerner bringen dabei zunehmend ihr eigenes Erfahrungswissen in die kollaborativen Lernprozesse ein. Dabei nutzen Sie die neuen Möglichkeiten der Kommunikation und Dokumentation von Wissen. Die Dozenten und Trainer werden zu Lernbegleitern, die Kompetenzlernen ermöglichen. Ein Werk, das den Anspruch erhebt, auch für Praktiker im Bereich des selbstgesteuerten Lernens Impulse zu geben, darf an diesen Entwicklungen, gerne auch in einer kritischen Würdigung, nicht vorbei gehen.
Fazit
Das Werk von Horst Siebert ist für Studierende, die einen, vor allem, theoretischen Überblick über die konstruktivistischen Perspektiven des selbstgesteuerten Lernens und der Lernberatung gewinnen wollen, eine fundierte und hilfreiche Lektüre. Aus den genannten Gründen ist dieses Werk von den Inhalten, aber teilweise auch von der Sprache her, für die angegebene Zielgruppe der Praktiker nicht zu empfehlen.
Rezensent
Prof. Dr. Werner Sauter
Blended Solutions GmbH
Homepage www.blended-solutions.de
Jens Walter für lehrerbibliothek.de
Lebenslanges Lernen ist selbstgesteuertes Lernen und findet nicht nur in institutionalisierten seminaristischen Formen statt. Lebenslanges Lernen ist umso effektiver, je vielfältiger die Selbstlernkompetenen sind. Und: Nachhaltiges Lernen ist selbstgesteuertes Lernen - diese These wird von der konstruktivistischen Erlkenntnistheorie bestätigt. Aber auch selbstgesteuertes Lernen will gelernt sein … – So oder ähnlich klingen die Thesen des Autors dieses Buches. Insofern sind neue Lehr-Lern-Kulturen notwendig: erlebnisintensiv, kreativ, multikulturell, mehrperspektivisch, handlungsorientiert und vernetzt.